Vermisst - ein Krimi von Irmgard Braun

Monika Trautner hat nach einem bewegten Arbeitsleben endlich Zeit für sich und ihre Hobbys. Frisch in Pension reist die rüstige Rentnerin durch die verschiedensten Länder und zurück in der Heimat widmet sie sich ganz dem Klettersport. Doch schon bald ist es wieder vorbei mit der Ruhe. Ihr Enkel Liam bittet sie um Hilfe in einem Vermisstenfall: seine gute Freundin Susi ist nach einem Kletterkurs nicht mehr zurückgekehrt und die Polizei hat den Fall bereits zu den Akten gelegt. Begründung: die Vermisste sei irgendwo im Gebirge abgestürzt und das komme schließlich häufig vor. Liam aber möchte so schnell nicht aufgeben. Da ist es ein guter Zufall, dass die große Privatdetektei seines Vaters von Susis Eltern mit dem Fall betraut worden ist. Nach einiger Überzeugungsarbeit gelingt es Liam, gemeinsam mit seiner Oma zu Ermittlungszwecken einen Fortgeschrittenenkurs besuchen zu dürfen. Die Teilnehmer und auch der Kursleiter sind nahezu identisch mit jenen aus Susis Kurs. Während Liam, der eigentlich gar keine Ahnung vom Klettern hat, die ersten Gehversuche am Felsen unternimmt, schweben er und Monika bereits in ungeahnter Gefahr, denn so mancher kommt gar nicht damit zurecht, dass die beiden den Kursteilnehmern zunehmend auf den Zahn fühlen.

Irmgard Braun legt mit „Vermisst“ ihren dritten Krimi und zugleich den Auftakt für eine Reihe mit der rüstigen Ermittlerin Monika Trautner vor. Die Handlung beginnt – durchaus empfehlenswert – aus Sicht der vermissten Susi. Leider wird auf den ersten Seiten gleich ein Manko des Buches deutlich: So entsteht sprachlich der Eindruck, dass Susi, Studentin und aller Wahrscheinlichkeit mindestens Anfang 20, erst 15 und recht naiv sei. Dieses sprachliche Manko wird innerhalb der ersten Kapitel recht konsequent durchgehalten. Nur schwer gelingt es dem Leser daher, etwa die Detektei Bratzke oder auch Liam ernst zu nehmen. Immer wieder schwenkt die Handlung zudem zu Susi, die nicht tot ist, sich aber durchaus in einer sehr heiklen und gefährlichen Situation befindet. Sprachliche Klarheit in Wort und Ausdruck, aber auch der Mut zu erschreckenderen Szenarien hätten dem Krimi sehr gut getan und geholfen, schnell eine hohe Spannung aufzubauen. Das Potenzial wäre durchaus vorhanden gewesen. So aber wird an diesen Stellen viel verschenkt, die Handlung plätschert dahin und nimmt erst langsam an Fahrt auf.

Im Laufe der Zeit entwickeln sich die Charaktere, werden reifer und wirken nicht mehr allzu der Realität entfremdet. Es scheint, als hätte auch die Autorin erst in ihre Geschichte hineinfinden müssen. Das mag zusätzlich seinen Grund darin haben, dass ihr Können weniger in der spannenden Ausgestaltung eines Krimis als in dem Fokus, den Klettersport in die Handlung einzubetten, liegt. Eben jene Episoden beweisen Klarheit und Wissen. Man merkt, dass sich die Autorin ganz auf ihrem Terrain befindet. Ein weiterer Punkt, der angesprochen werden muss, betrifft das Bild von Männern und Frauen, welches Braun in ihrem Krimi zeichnet. So scheinen die handelnden Frauen, sofern sie sich in einer Beziehung befinden, von ihren Männern in ein Leben gepresst zu werden, das ihnen so gar nicht entspricht. Die Ehen sind schlecht, der Umgangston rau und so mancher Mann ein Freund des Alkohols oder anderer kurzer Röcke. Allein Liam kommt – dem Leser anfänglich als wahren Softie mit sanftem Charakter präsentiert – ungeschoren davon sowie ein Nachbar von Moni, der dem Leser wohl auch in den folgenden Bänden der Reihe noch erhalten bleiben wird. Generell scheint es, als möchte Braun der Liebe keine echte Chance geben und als ob betont werden müsse, wie schlecht der gemeine Mann ist und dass sich die Frau nur aus ihren Zwängen befreien müsste. (Auch die Schilderung der Vorgänge im ersten Kletterkurs, bei dem Susi war, erweckt den Eindruck, nicht das Erlernen des Klettersports stehe im Vordergrund, sondern das Anbaggern der anderen Kursteilnehmer.) Hinzukommt der Umstand, dass die kletternde Super-Oma stets von allen – vor allem natürlich von männlichen Mitmenschen – stets unterschätzt wird. Egal, ob es sich dabei um ihre Kletterfähigkeiten oder ihr Ermittlergespür handelt. Das wirkt auf die Dauer doch etwas anstrengend und unrealistisch.

Zum Glück entwickelt sich das Buch aber doch zum Ende hin und die Handlung wird spannender. Bleibt die Frage: Warum nicht gleich so?

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