Vizentiner Alpen - Reise in ein unbekanntes Gebiet

Beim Bergverlag Rother ist jüngst erst ein Buch zu den Vizentiner Alpen erschienen. Noch nie von dem Gebiet gehört? Macht nichts, ich auch nicht. Im Vorwort steht dazu „Hinter Bozen links. Also nicht rechts, wo alle zum Gardasee abbiegen.“ Es ist wohl ein einsames Gebiet, das den Bergwanderer dort südlich der Dolomiten erwartet. Doch es verspricht ein ganz besonderes Urlaubsglück: Ruhe, Einsamkeit und ganz viel Natur. Mit dem neuen Wanderführer, geschrieben von Benno F. Zimmermann, kann man schon vor der Reise einen gedanklichen Ausflug wagen.

Ich möchte ehrlich sein, ich hatte so meine Probleme mit dem Gebiet dieses Wanderführers. Zu einsam, zu weit weg von allem. Die abgedruckten Bilder in guter Qualität; allein beim ersten groben Durchblättern meint man, stets nur schroffe Gipfel zu sehen. Ein Trugschluss – so viel sei gesagt. Doch der Reihe nach … Mit insgesamt 58 Touren wartet das Buch auf und liegt damit über der durchschnittlichen Tourenanzahl, die einem sonst bei Rother begegnet. Was auffällt ist, dass sehr viele Wanderungen der schwarzen und damit der schwersten Kategorie angehören: 23 schwarze, 23 mittlere und zwölf leichte stehen zur Auswahl in insgesamt sieben verschiedenen Gebieten. Die Gebiete werden im Einführungsteil alle kurz vorgestellt, beim Lesen ist es dabei stets hilfreich die Doppelkarte im vorderen Teil des Buches, auf der die Tourenstandorte markiert sind, im Blick zu behalten.

Warum aber eigentlich so viele schwarze Touren? Das wird schnell deutlich, wenn man sich einmal in aller Ruhe einen Überblick über die einzelnen Wanderungen verschafft. Wer in die Vizentiner Alpen fährt, der macht Bergurlaub in einer touristisch wenig erschlossenen Region. Viele der vorgestellten Wege sind unmarkiert, führen relativ hoch hinaus und bewegen sich auf Bergpfaden. Vorhandene Wegweiser sind mitunter von der Natur oder Übermütigen zerstört (vgl. S. 11). Letztlich sind auch die zeitlichen Mindestangaben nicht zu unterschätzen, die sich im Bereich von knapp über einer Stunde bis hin zu acht Stunden erstrecken, zusätzlich findet sich eine zweitätige Wanderung. Trotzdem betont der Autor, dass die meisten der Touren keine ungewöhnlichen Anforderungen an den Wanderer stellen und nur selten Trittsicherheit und Schwindelfreiheit von Nöten sind. Und so ist man, nachdem einen die vielen schwarzen Touren doch etwas abgeschreckt haben, doch einigermaßen beruhigt, die Wanderungen scheinen auch für den normalen Bergwanderer möglich zu sein. Das wird zusätzlich im Punkt Ausrüstung deutlich, in dem man erfährt, dass es keiner speziellen Bergsteigerausrüstung bedarf. Nur Proviant sollte man stets dabei haben, denn Einkehrmöglichkeiten gibt es unterwegs extrem selten. Was ich vermisst habe, war ein Absatz zum Thema Wetter und Gefahren. Nur eine Klimatabelle findet sich. In einem Gebiet, in dem gute Orientierungsfähigkeiten von Nöten sind, sollten sich doch noch ein paar Hinweise etwa zum Verhalten bei Nebel oder Wetterumschwüngen finden. Zum Thema Karten findet sich ein kurzer Abschnitt, die Angabe der Kartennummern wäre hier wünschenswert gewesen, in den Kurzinfos zu den einzelnen Touren stößt man dann auf die hier gesuchte Angabe. Ansonsten finden sich zu allen relevanten Themen etwa Autofahren, Diplomatische Vertretungen, Geld, Sprache, Notruf etc. alles Wichtige. Besonders gut hat mir gefallen, dass sogar einige empfehlenswerte Unterkünfte aufgelistet sind. Wirklich lesenswert sind die längeren Ausführungen zum Thema „Geschichte und Sprache“. Immerhin wird man in den Vizentiner Alpen bei verschiedenen Wanderungen auf die Zeugnisse des Ersten Weltkriegs treffen.

Nun aber endlich zu den Tourenbeschreibungen. Beim genaueren Blick in das Buch habe ich schnell gemerkt, dass es in den Vizentiner Alpen nicht nur schroffe Berglandschaften zu erleben gibt, sondern eine sehr abwechslungsreiche Bergwelt, mit sanften Wiesen, lieblichen Wäldern und traumhaft anmutenden Seen. Der Ausblick auf den meisten der Wanderungen muss grandios sein und immer wieder bricht auch der Autor in wahre Begeisterungsstürme aus, wenn man sich einer dieser Stellen nähert. Dem Text merkt man an, wie sehr Zimmermann die Vizentiner Alpen als Reisegebiet liebt und schätzt. Die Touren sind mit Umsicht ausgewählt und zeugen von hoher Ortskenntnis. Und so hat man auch bei Wanderungen auf unmarkierten Wegen nie das Gefühl orientierungslos zu sein (Karte, Kompass und GPS sollten meiner Meinung nach aber trotzdem ganz dringend mit in den Rucksack – auch hierzu fehlt leider ein Hinweis im Punkt Ausrüstung). Der Einleitungstext vermittelt einen guten ersten Eindruck von der jeweiligen Wanderung und ist eine sehr gute Werbung. Man möchte schon fast selbst gleich die Wanderschuhe aus dem Schrank holen und den Rucksack schultern. Alle notwendigen Details finden sich auch in diesem Wanderführer in den Kurzinfos, wobei man sich hier beim Thema Einkehr nur auf die Angabe des Hauses beschränkt hat. Das ist ein wenig Schade, da man bezüglich Öffnungszeiten und Kontaktdaten mittlerweile sehr von den anderen Rother Wanderführern verwöhnt ist. Gut fand ich, dass bei Anforderungen immer am Ende noch steht, ob es sich um einen markierten oder unmarkierten Weg handelt.

Die kleinen Wanderkärtchen im Maßstab 1:50.000 und die Höhenprofile sind zweckdienlich, mitunter hätten Letztere aber etwas größer sein können, vor allem wenn so viele Wegepunkte eingezeichnet sind, dass die Zuordnung manchmal etwas kniffliger ist.

Fazit: Wieder ein sehr schöner Wanderführer, mit einigen kleineren Abstrichen, der dazu einlädt, neue Wege zu wagen, um so die Schönheit und Einsamkeit der Vizentiner Alpen hautnah zu erfahren.

Christiane Fischer

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