Kletterbetreuerausbildung in Kassel

Schon mehrmals wurde ich etwas unterschwellig und gekonnt zum Klettertrainer gefragt und später dann auch sehr direkt darauf hingewiesen, dass er würde mir doch gutstehen würde. So richtig vorstellen konnte ich mir nicht und antwortete daher einheitlich: „Da gibt es wohl doch bessere als mich.“

Auf einem Ausflug habe ich dann aber doch ein paar Gedanken dazu verloren und so war für mich klar: ICH werde wenn dann erstmal Kletterbetreuer. Für mich ist dieser Zwischenschritt sehr wichtig und auch normal. Schließlich bin ich erst etwas über zwei Jahre in der Sektion, klettere nur geringfügig länger und trage wenig zu Veranstaltungen bzw. Trainings bei. Auch habe ich noch sehr wenig bis keine Erfahrung mit dem Unterrichten von Gruppen. Und ganz wichtig für mich: kleinere Schritte. Es würde mir falsch vorkommen jetzt gleich „aus dem Nichts heraus“ einen Trainerschein abzulegen.

So kam es mir dann auch noch zusätzlich entgegen, dass Marcel wohl ähnliche Gedanken und Pläne verfolgte. Also nochmal die offizielle Erlaubnis vom Ausbildungsleiter geholt, mit Marcel einen gemeinsamen Termin gefunden und gaaaanz schnell für den Lehrgang in Kassel angemeldet. Die Auswahl viel dabei sehr leicht, da wir uns zuerst die möglichen Termine aussuchten und dann aus diesen einen Wunschort suchten. Kassel stand damit und die persönlichen Vorbereitungen konnten beginnen.

Vorweg überlegt man sich schon, was einen erwartet, was wohl passiert, was der eigene Plan sein wird. Als Zielsetzung war für mich weniger das Klettern im 5. Grad wichtig, sondern mehr das Unterrichten, die Vorschriften und die Abläufe im Allgemeinen. Der Kletterbetreuer besteht aus einem zusammenhängenden Lehrgang in fünfeinhalb Tagen mit kleineren Lehrdemos, einer Lehrprüfung und einer abschließenden Kletterprüfung.

Am 1. Tag war Treff um 18.00 in der Kletterhalle. Dabei ging es um alles Organisatorische und das erste Kennenlernen. Anschließend checkten wir ins Hotel ein und trafen uns mit den anderen zu einem gemeinsamen Abendessen, um den Tag gesellig ausklingen zu lassen. Die erste Nacht war dann zumindest für mich trotz mehrerer Kostproben der verschiedenen regionalen Biere sehr unbequem. Zum Teil war es das fremde Bett, zum großen Teil aber auch die Vorfreude und die Aufregung auf den bevorstehenden Tag. Einen Wecker hatte ich zwar gestellt, hätte es aber auch sein lassen können, da ich mehrfach wach war und weit vor dem Klingelton aufstand.

Der zweite Tag verlief dann bereits eher so, wie man es sich vorgestellt hatte: einklettern, abchecken der anderen Teilnehmer und deren Fähigkeiten und dann Lehrübungen und Übungsreihen der Trainer. Hauptziele des Tages waren dann – allgemein zusammengefasst – Lehrinhalte zum Toprope und methodische Übungen. Tipps und Beispiele gab es dabei genauso, wie kleinere Pausen, um überschüssige Energie in vertikaler Bewegung zu kompensieren. Am Ende des Tages und mit einem beruhigenden, entspannten wie auch etwas geschafften Gefühl ging es dann wieder geschlossen zum Abendessen. Die bevorstehende Nacht konnte dann zügig, ausgiebig und auch besser als die erste verbracht werden, sodass der Wecker auch seinen Sinn erfühlte.

Der dritte Tag begann mit Theorie und dem Plan, jeder der Teilnehmer sollte eine Lehrübung selbstständig vorbereiten und abhalten. Nun ja, an diesem Punkt ging es mir und Marcel schon ein wenig anders. Man bereitet sich zwar vor, aber eigentlich – wenn man es im Nachhinein betrachtet - auf dem falschen Gebiet. Das Klettern ist bis jetzt nicht das Problem gewesen. Nun aber kommt der kommunikative und didaktische Teil. Wir sollten also Lehrer sein und eine uns zugeteilte Aufgabe übernehmen. Mein Part war das Toprope sichern mit Smart und Hintersicherung. Klingt leicht, ist für Geübte auch machbar und gängig, aber wird dann vor Ort mit null Lehrererfahrung auf diesem Gebiet und fünf Teilnehmern trotzdem eine andere Nummer. Mein Part war als dritter dran und wurde nach Aussagen der anderen gut durchgeführt. ABER die eigene Einschätzung versaute mir dann doch den restlichen Nachmittag. Wir hatten am Vortag ein TOP!! Beispiel von Tillmann Hepp (einer unserer Trainer) gezeigt bekommen und ich habe es für mich nicht zufriedenstellend vermitteln können. Die Vorbereitung der Anlage und auch das überschätzte Wissen der „Pseudoteilnehmer“ brachten mich aus dem Konzept, sodass ich mich zwei Mal kurz sammeln und neu planen musste. Auch wenn dieser „Test“ als bestanden gewertet werden würde, war ich auf so etwas gar nicht vorbereitet. Große Fehleinschätzung also von mir, meinen Fähigkeiten und der Aufgabe. An diesem Punkt war dann klar: Klettern ist und bleibt definitiv nicht das Problem diese Woche. Ich muss einfach besser lehren lernen. Marcel und Tillmann redeten mir gut zu, sagten es war gar nicht so schlecht, wie ich es selbst einschätzte. Für die Prüfung am Donnerstag stand für mich trotzdem fest: Es muss deutlich besser werden.

Der vierte Tag begann wie der letzte endete: geknickt. Ich war immer noch demotiviert von meiner Leistung am Vortag. Auf dem Plan standen jedoch Klettertechnik und Taktik, was mich ablenkte und wieder aus der Reserve lockte. Schließlich macht mir Klettern viel Spaß. Was spricht also dagegen, dass unter super Anleitung besser zu lernen? Wir bekamen leichte Aufgaben, wie frontales und eingedrehtes Antreten. Dieses wurde schön vorgemacht und wir eiferten nach. Was man für einen selbst als gut werten würde, kann aber in einer Videoanalyse in Zeitlupe schon arg komisch aussehen. Insgesamt war keiner der Teilnehmer in der Lage die geforderten Dinge beim ersten Versuch umzusetzen. Nach einiger Überei und erneuter Videoanalyse wussten wir, was zu ändern war. Leider haben sich nur diese Klettermarotten schon so eingeschliffen, dass es wohl sehr schwer sein und lange dauern wird, um unsere fehlerhafte Technik zu korrigieren.

Bei der Klettertaktik ging es um einen konkreten Plan, wie man Projekte angeht und ausbouldert. Was traue ich mir zu, wie sieht die Route aus, wo können Schlüsselstellen sein, welche Möglichkeiten gibt es dort und wie gehe ich das Projekt überhaupt an? Was hier in der Theorie behandelt wurde, sollte dann auch von jedem versucht werden. Dazu haben wir zwei Stunden Zeit bekommen, um eine für uns eventuell mögliche Route am Ende Rotpunkt zu klettern. Ich entschied mich erst für eine 7+ welche ich mehrmals anging. Später konnte ich dann noch rechtzeitig sagen: „Projekt für heute gestorben.“ Nebenan versuchte sich Marcel in einer 7-, welche ich dann auch für mich in Beschlag nahm und schaffte.

Danach ging es zur Materialkunde in den Schulungsraum. Es brauchte einige neue Erkenntnisse und schöne Diskussionen. Zu allerletzt wurden noch die Themen für die bevorstehende Lehrprüfung verlost. Was soll ich sagen, sch.... MIST. Wieder habe ich dasselbe Thema vom Dienstag gezogen. Nur noch leicht abgewandelt, diesmal sollte es mit Tube ausgeführt werden. Die allgemeine Stimmung schien auch bei den anderen nicht sonderlich euphorisch zu sein. Auch an diesem Abend bin ich nach dem gemeinsamen Abendessen noch eine Runde spaziert und tüftelte mir einen Schlachtplan aus. Logischerweise spät kam ich ins Bett, fühlte mich aber am nächsten Morgen gut vorbereitet und fit, um die Sache anzugehen.

Und so startete der fünfte Tag wieder mit einem guten Frühstück und reichlich Gedanken an die bevorstehende Prüfung. Wie es der liebe Zufall so will, musste ich dann auch als Erster ran. Diesmal suchte ich eine andere Wand aus, bereite diese besser vor, sammelte mich und zog durch. Kleinere Schwächen sind natürlich noch da gewesen aber nach etwa zwanzig Minuten und einem "Gong" vom Trainer, war ich guter Dinge und zufrieden mit meiner Leistung. Nach diesem für mich schwierigsten Part war ich endlich wieder völlig entspannt und konnte mit einem breiten Grinsen durch die Halle laufen. Marcel sprach mit mir nochmal seinen Plan durch und erledigte diesen dann total super und souverän.

Damit waren also die Hauptaufgaben des Tages durch. Es folgten noch Besprechung und Auswertung der Lehrprüfungen sowie Theorie in Bezug auf Recht und Versicherung und Verhalten bei Unfällen. Der Abend endete im altbekannten Restaurant bei gelassener und lustiger Stimmung und guten Gesprächen. Nach meinem inzwischen obligatorischen Spaziergang war dann auch dieser Tag geschafft.

Der Freitag, sechster und letzter Tag, sollte schon unser letzter Tag in Kassel sein. Für heute stand die Kletterprüfung und Demonstration einer Abnahme von Toprope- und Vorstiegsschein an. So gelassen, wie ich seit meiner bestandenen Lehrprüfung war, so angespannt schien Marcel vor der Kletterprüfung. Aber auch andere schienen sich noch Gedanken über den Ausgang des Tages zu machen, was natürlich vom Trainer bemerkt wurde. Der schüttelte dann zur Auflockerung eine schöne Aufwärmrunde in Geschichtenform aus dem Ärmel. Danach ging es ans Einklettern. Erst Marcel, dann ich. Beim Klettern auf halber Höhe bemerkte ich, dass Matthias Huber auffällig zusah. Als ich unten war, sagte er, das wäre eine der Prüfungsrouten und so hatte ich schon das erste von zwei Kreuzen sicher. Zur letzten Vorbereitung ließ er sich selbst noch einmal von Marcel hoch sichern und entschärfte zwei Stellen etwas, um den Prüfungsanforderungen gerecht zu werden. Dann wurden uns die insgesamt drei Routen gezeigt (wovon aber nur zwei geschafft werden müssen) und es konnte losgehen. Schnell bildeten sich die Teams und die Routen wurden besetzt. Marcel ließ sich von mir meine Frühstartroute sichern und erntete den ersten Applaus. Danach kletterten wir abwechselnd die anderen beiden Routen. So waren wir schließlich die ersten Kletterbetreuer und danach die ersten unserer Gruppe mit einem 3er. Die meisten anderen zogen natürlich nach und entspannten sich bei der dritten Route sichtlich. Um die Zeit zu überbrücken, bis alle fertig waren, wagte ich mich nochmal an mein Projekt von Mittwoch. Gelb, 7+, Hepatitis C. Nach drei Mal reinsetzen und einer anderen Taktik konnte ich oben abklatschen und war „zufrieden“. Marcel stieg nochmal sein Boulderprojekt vor und schloss damit ab. Nachdem alle bestanden hatten, bekamen wir eine Demonstration zur Abnahme der Kletterscheine Toprope und Vorstieg.

Wir ließen alle und einheitlich zur abschließenden und allerletzten Besprechung Lob und Respekt über unsere Trainer, die Veranstaltung und die letzte Woche aus, packten zusammen und zogen gen Heimat.

Die Fahrt gestaltete sich schon in Kassel schwierig, da Marcels Navi mit den neuesten Karten eher schlechter als besser funktionierte. So kam es dann, dass wir uns gefühlte sieben Mal verfahren haben, einen Umweg von geschätzten 60 Kilometern nahmen, zu früh von der schon verschneiten Autobahn abgefahren sind, um dann auf einer Landstraße bergauf fast stehen zu bleiben. Was allerdings durch all diese Widrigkeiten gut funktionierte war: die Stauumfahrung. Wir fuhren nicht auf die A4 und kamen auch nicht in die anderen Staus, sondern folgten von Kassel der A7 bis zur A70, verließen diese in Höhe Kulmbach/Bayreuth und fuhren bei Münchberg Süd wieder auf die A9 und dann beim Dreieck Hof auf die A72 gen Weischlitz.

Es war eine anstrengende, schöne, lehrreiche, bunte aber vor allem erfolgreiche Woche. Das Ausbildungsteam sowie das Ausbildungsprogramm waren ohne Zweifel TOP. Von der Organisation bis zur Durchführung gab es keine Klagen.

Ich bin froh, den Kletterbetreuer gemacht zu haben und überlege schon als Re-Autorisierung dessen, keinen eintägigen Sonderkurs, sondern die Qualifikation des Trainer C anzugehen. Bis dahin dürfen aber ruhig noch ein paar Jahre (maximal aber fünf) und Kurse vergehen …

Matthias Hamann
Kletterbetreuer des DAV Plauen-Vogtland

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