Wandern im Erzgebirge

Im Rother Bergverlag ist 2018 ein Wanderführer erschienen, der mein ganz besonderes Interesse weckte. Die Autorin Britta Schulze-Thulin nimmt ihren Leser mit auf 50 Touren durch das Erzgebirge – und zwar vom Müglitztal bis zum Elstergebirge. Damit berührt dieser Wanderführer Gebiete in meiner relativ unmittelbaren Umgebung. Auf seine eigene Heimat hat man ja mitunter einen etwas spröden Blick. Überall in der Welt locken wunderbare Natur und Abenteuer, Träume lassen sich meist nur in der Ferne realisieren, denn hier – direkt vor unserer Haustür – haben wir den Blick für Wunder längst verlernt.

50 Touren – das ist schon eine stattliche Anzahl. Das Inhaltsverzeichnis verrät, dass Schulze-Thulin, die Region in nochmals vier Wandergebiete untergliedert hat: Naturraum Osterzgebirge mit Böhmen, Naturraum Mittleres Erzgebirge mit Böhmen, Naturraum Westerzgebirge mit südlichem Vogtland und Böhmen sowie Elstergebirge mit südlichem Vogtland und Böhmen. Die Touren bewegen sich überwiegend im mittleren (roten) Schwierigkeitsbereich, allein 13 sind leicht und vier schwer. Die Gehzeit liegt meist zwischen 3,5 bis 4,5 Stunden, wobei es natürlich auch Ausreißer nach unten (2,5 Stunden) und nach oben (7 Stunden) gibt. Es folgt, wie bei Rother gewohnt, der Allgemeine Teil, den ich – das gleich vorweg – sehr informativ und wissensreich fand. Das mag auch daran liegen, dass ich mich der hier vorgestellten Region sehr verbunden fühle und neugierig war, was es alles zu erfahren gibt; da es einem selbst oft an Hintergrundwissen mangelt. Die Autorin vermittelt auf angenehme Art und Weise Interessantes zu Landschaft und Gliederung und geht sodann auf die naturräumlichen Besonderheiten (Berge, Bergwiesen, Felsen, Flüsse, Moore, Seen und Talsperren) nochmals gesondert ein. Weitere Themen sind Geologie und Bergbau, Klima und Jahreszeit, Vegetation und Tierwelt, der Naturpark Erzgebirge/Vogtland sowie Land und Leute. Man erkennt, dass die Natur, Land und Leute eine gemeinsame Geschichte und sich gegenseitig über einen sehr langen Zeitraum geprägt haben. Das ist eigentlich logisch, nur hat man oft nicht den Blick für diese Zusammenhänge. Besonders gelungen finde ich, dass die Autorin stets die dargebotenen Infos mit ihren Touren verknüpft. Will man also bspw. eines der zahlreichen Moore erleben, so muss man nur den kleinen Absatz lesen und hat sogleich – ohne langes Suchen – sechs Touren zur Auswahl.

Die obligatorischen Infos zu Markierung, Ausrüstung, Wandersaison, Gefahren, Karte, Kompass, GPS, Netzabdeckung und Anfahrt sind absolut zweckdienlich und weder zu lang, noch zu kurz. Zu meiner Freude gibt es auch einen Infokasten mit Top-Touren im Erz- und Elstergebirge. Schön finde ich, dass die dortigen acht Touren sich auf das gesamte Wandergebiet verteilen, eine gar ins benachbarte Böhmen führt und vor allem, dass sich die Längen zumeist im angenehmen Bereich von drei bis vier Stunden bewegen.

Zum Abschluss des Allgemeinen Teils finden sich noch weitere Informationen und Adressen zu folgenden Themen: Verkehr (Anreise und Öffentliche Verkehrsmittel), Über die Grenze, Unterkunft, Ausgewählte Informationsstellen zum Wandern, Weitwanderwege, die dieser Wanderführer berührt, Sport und Erholung, Städte und Orte, Burgen und Schlösser sowie natürlich Museen und Besucherbergwerke.

Dann taucht man auch schon mitten in die Wandertouren im Erzgebirge ein. Die Bandbreite die Schulze-Thulin dabei abgedeckt ist immens und lässt m.E. absolut keine Wünsche offen. Aussichtsreiche Touren, etwa auf den Auersberg, wechseln sich mit Wanderungen entlang des Wassers ab und wiederum andere locken zu Kulturdenkmälern. Der Wanderer kann so ganz nach Gusto entscheiden. Die zahlreichen, sehr gut ausgewählten Fotografien vermitteln dabei jeweils einen Eindruck von der Charakteristik der gewählten Tour. Der Aufbau der Wanderseiten ist gewohnt Rother, also zuerst ein einleitender Text, für den sich die Autorin relativ viel Platz genommen hat, allerdings ist dieser für mich auch des Öfteren entscheidend bei der Tourenauswahl. Er gibt einen Überblick über das auf der Wanderung zu erwartende, hebt Besonderheiten vor und macht die Begeisterung von Schulze-Thulin für ihr vorgestelltes Wandergebiet absolut spürbar. Hat man kurz nicht aufgepasst, ist man selbst schon dabei, die Wanderstiefel zu schnüren, um das, was ja eigentlich direkt vor der Haustür liegt, endlich zu entdecken. Die kleinen Wanderkärtchen im Maßstab 1:50.000 bzw. 1:75.000 sind wohl absolut ausreichend, um sich zu orientieren, zumal im Erzgebirge eine sehr gute, manchmal zu überbordende Beschilderung vorzufinden ist. Die Kurzinfos enthalten die Punkte Ausgangspunkt, Höhenunterschied, Anforderungen (hier auch Verweis auf mögliche Abkürzungen), Einkehr (leider ohne Angabe von Kontaktdaten, allerdings in Zeiten von Google und Co. auch nicht mehr unbedingt nötig), Tipp und Karte. Die Tourenbeschreibungen erfüllen wohl ganz und gar ihren Zweck, erschienen mir aber mitunter etwas rastlos, dies ist allerdings nur ein ganz persönlicher Eindruck. Wichtige Wegpunkte sind wie gewohnt Fett markiert, mit Nummern versehen und finden sich einerseits im Höhen-Zeitdiagramm (mit mehrmaligem Verweis auf Höhenwerte), wie auch in den kleinen Wanderkärtchen wieder.

Fazit: Britta Schulze-Thulin hat mit Erzgebirge. Vom Müglitztal zum Elstergebirge einen Wanderführer vorgelegt, der nicht nur Besuchern der Region absolut ans Herz zu legen ist, sondern vor allem auch Einheimischen. Denn er bietet die Möglichkeit, die eigene Heimat wandernd zu erfahren und gibt damit einen ganz anderen Blick auf diejenige Umgebung, Natur- und Kulturlandschaft frei, die uns allzu oft als selbstverständlich erscheint.

Christiane Fischer

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