Auf ein Abenteuer?

Dieses Jahr nun schon zum 3. Mal hatte ich mich bei unserem “Schreiti” - seines Zeichens Trainer C Alpinklettern - zur alljährlichen Kletterausfahrt angemeldet.

Leider, wie wir ja alle wissen, ist in diesem Jahr durch Covid-19 alles etwas anders und so stand natürlich auch unsere Ausfahrt kurzzeitig in Frage.

Etwa 5 Wochen vorher meldete er aber ein Quartier reserviert zu haben und gab damit auch die Randinformationen zu Gebiet, Hütte, Teilnehmer und vor allem geplanter Gipfel + Route bekannt. Es sollte ins Ötztal gehen, Unterkunft bot uns hier die Amberger Hütte auf 2135 m und der Hauptgipfel hieß “Wilde Leck” mit 3359 m über den Ostgrat (III eine Stelle IV).

Da ich ja nun die Teilnehmer konkret wusste und um das ganze etwas ökologischer und angenehmer zu starten, suchte ich wieder nach Fahrgemeinschaften und einigte mich sehr schnell mit Frank der mich nun ebenfalls schon zum 3. Mal hierbei begleitet und dieses Mal nicht wiederholt Fahrer, sondern mein Copilot sein sollte.

Die Wochen vergingen, die Aufregung/Nervosität stieg und am Abend zuvor gleichte ich dann endlich nochmal die eingepackten Sachen mit Frank telefonisch ab und konnte beruhigt und zufrieden ins Bett.

Meinen Wecker hatte ich zwar gestellt, brauchte diesen aber am Donnerstagmorgen nicht, da ich wie zu erwarten, wieder mal voller Vorfreude aus dem Bett sprang und ca 1,5 h zu früh gelangweilt in der Küche saß und wartete, dass die Zeit vergeht. Um 9 wollte ich Frank abholen und beschäftigte mich also noch die restliche Zeit mit frühstücken und sinnlosen Videos auf YouTube.

Die Fahrt an sich war ziemlich unspektakulär, denn Gott sei Dank, gab es keinen Stau, Unfall oder andere Pannen. Sogar die visuell ansprechende Route über den Fernpass konnte mit wenig Verkehr und in aller Ruhe genossen werden. Nach gerade Mal 5,5h trafen wir am Parkplatz zur Amberger Hütte ein und fanden hier, wie auf der Fahrt kurzfristig telefonisch verabredet, auf Conny und Silvio welche nicht viel eher als wir angekommen sind.

Der Weg zur Hütte an sich ist absolut nicht der Rede wert, bietet schöne Aussichten und strategisch gut gelegen eine kleine Alm, welche zu Kaffee und Kuchen einlädt.

Als am Abend alle auf der Hütte eingetroffen und das üppige Abendessen abgehakt werden konnte, ging es an die Planung für den nächsten Tag und unseren eigentlichen Gipfel. Leider halbierte sich hier die Anzahl der Teilnehmer dann jedoch von 6 auf 3 was sich aber am Tag darauf als Vorteil erweisen sollte.

Die Nacht verging, naja… sagen wir mal… eher schlecht als Recht. Ich war Mal wieder voller Vorfreude, das Matratzenlager voller Geräusche und im Schlafsack schlafen liegt mir leider einfach nicht. Um 3 in der Früh klingelten dann aber alle 3 Wecker synchron und die gequälte Nacht war vorbei.

Nach einem kurzen Frühstück und, zumindest von mir, wenig gesprochenen Worten, gingen wir wie geplant gegen 4 früh los in Richtung Gipfel. So zeitig in den Bergen war ich noch nicht unterwegs, genoss aber die Umgebung und den anbrechenden Tag, Schritt für Schritt für Schritt.

Und auch in diesem Jahr gab es Mal wieder eine Premiere für mich: mit Steigeisen über den Gletscher! Den Gletscher hatte ich mir zwar etwas anders vorgestellt aber das Steigeisen gehen fand ich Spitze. Nur ein Tipp für andere Aspiranten: zieht keine Halbschuhe an und nehmt wenigstens knöchelhohes Schuhwerk! Alles andere ist blöd und macht nur unnütze Schmerzen und Verletzungen…

Als wir gegen 7:30 (oder war es schon 8:30?), und über 1000 Höhenmetern am Einstieg ankamen ließen wir noch einen jungen, wilden Free-Solo-Typen vor und stiegen ebenfalls los. Insgesamt waren nun 9 Seillängen vor uns, in meist gleichbleibender Schwierigkeit. Die Absicherung bzw. Standplätze waren gut durch Schlingen möglich wobei ich aber 3 eingebohrte Standplätze und ein wenig an Opferschlingen bzw. Keilen nicht verschweigen möchte.

Insgesamt kamen wir mit unserer Drei-Seilschaft und Wechselführung zwischen 1. und letzten im Seil auch sehr gut voran und verloren nur in der letzten Seillänge, durch einen Navigationsfehler von mir, an Zeit und machten ein paar extra Meter.

Die Aussicht war wie im Internet beschrieben die ganze Zeit ein kleiner Traum und oben am Gipfelkreuz wie zu erwarten der Höhepunkt.

Leider kommt aber nach dem Aufstieg auch immer der Abstieg und dieser sollte es über Schuttgelände, Gratpassagen und luftig/ausgesetzter Stellen in sich haben und nochmal richtig an meinen Nerven zehren. Da tat das aufkommende Wetter natürlich noch sein nötiges - muss ja.

Als aber auch dieser nach Strapazen, Ratlosigkeit, sturer Konzentration und einer langen Abseilpiste final auf dem nun weichen Schneefeld landend gemeistert werden konnte, brach auch dann (endlich?) das Unwetter los. Der Himmel war schon länger dunkel und nun blitzte, donnerte und natürlich hagelte es auch noch. Ich hasse ja Regen… aber Hagel ist noch schlimmer :)

Allerdings war auch das an diesem Tag gar nicht mehr so schlimm in dem Moment, schließlich hatte ich meinen Glücksmoment schon hinter mir, den Abstieg heile überstanden und musste nur noch wieder zurück zur Hütte trampeln.

Als dann auch die Hütte wieder in Sichtweite kam, uns die "Daheimgebliebenen" erblickten, könnt ihr euch gar nicht vorstellen mit welcher Freude und Show uns diese begrüßten. Jeder mobilisierte nochmal ein paar Kräfte und lief unter Jubeln und Laolawellen den kleinen Berg hinauf durchs Zielgatter. In der Gaststube wartete sogar schon Wasser und anderes flüssiges auf uns, Klasse und vielen Dank nochmal an dieser Stelle!

Der nächste Tag startete wie vorhergesagt mit Regen, ging weiter mit Regen, gefolgt von noch mehr Regen. Unsere Truppe beschloss aber sich davon nicht beirren zu lassen und plante eine weitere Wanderung. Ich dagegen mummelte mich bei Cappuccino und einem Buch in eine schöne Ecke und beschloss meine geplagten Füße zu schonen und versuchte mich dabei einen feinen Hüttentag abzuhalten. Als dann jedoch gegen 12:45 der Sulzkogel (2795 m) aus dem Nebel hervortrat und auch noch der Regen aufhörte, zog ich mich fix an schnappte mir noch einen Apfel aus der Küche und lief einfach fix los. 

Am Tag zuvor war unsere 2. Gruppe dort und schwärmte ja geradezu von der herrlichen Aussicht. Nach nur kurzer Zeit kam ich auch an und hatte sogar das Glück etwa 10 min mit wenig Wolken und nur etwas Nebel bei totaler Ruhe ganz allein das Panorama genießen zu dürfen. Ein schöner Moment, der mir so denke ich, noch lange in Erinnerung bleibt.

Als ich gegen halb 4 wieder zum Kaffee in der Hütte ankam begrüßten mich Connie und Silvio, welche sich ebenfalls auf Kaffee und Kuchen einrichteten, nachdem sie sich schon etwas eher von der restlichen Gruppe gelöst hatten.

Ein wenig später, aber ebenfalls sichtlich zufrieden, trafen dann auch alle anderen wieder ein und so begann dann noch unser letzter, bester und lautester Abend in der Gaststube. Es wurde viel und herzlich gelacht, die Bedienung sowie Nachbartische veralbert und den Geschichten vergangener Alpintouren gelauscht.

Geschlafen, habe ich aber auch in dieser Nacht wieder nur mäßig. Das kann nun an der Höhenluft, der Beengtheit im Schlafsack/Hüttensack oder auch der vielen Leute im Zimmer und deren Geräusche liegen und gilt es jedenfalls weiter herauszufinden. Gelegenheit dazu werde ich vermutlich schon im nächsten Jahr haben, denn da hat Schreiti schon ein klein wenig vorausgeplant und damit meine Anmeldung wieder so gut wie sicher.

Was nehme ich mir persönlich jetzt also aus dem langen Wochenende mit? Es lohnte sich wieder 1 Jahr auf solch eine Tour gewartet zu haben. Schlafen wird überbewertet. Covid-19 scheint auf Bergen nicht zu existieren. Die Küche der Amberger Hütte ist nicht zum Abnehmen geeignet. Steigeisen funktionieren sehr gut - aber wohl nur mit Bergschuhen. Frank als Copiloten und Freund zu haben ist immer ein Gewinn. Einen Berg mit Freunden zu besteigen ist schon was sehr, sehr feines… aber einen Berg für einen Moment nur für sich alleine zu haben…. das muss ich unbedingt wiederholen.

Daher möchte ich mir noch die Anfangsfrage, mit welcher mich Frank am Donnerstagmorgen begrüßte, selber beantworten: “Auf ein Abenteuer?" - "Definitiv, auf ein neues!”

 

Mfg Matze :)

Zurück