Dem Felsen die (Bohr)Krone aufgesetzt
Drei machten sich auf den langen Weg in die freistaatliche Hauptstadt, weil sie lernen wollten, wie man dort Löcher bohrt. Nein, nicht in landesfürstliche Kassen und auch nicht in den königlich-sächsischen Elbsandstein, sondern in den gemeinen, niederen Nicht-Sandstein.
Wido vom Sächsischen Bergsteigerbund hatte zum Bohrhakenkurs eingeladen. Schumi, Matze und ich als provinzielle Abgesandte dachten, es könne so schlecht nicht sein, ein bisschen mehr darüber zu erfahren und schon war der Termin ran und wir saßen mit fünf weiteren Teilnehmern im Seminar von Florian Hellberg und Christoph Hummel von der DAV Sicherheitsforschung. Die anderen waren schon mehrheitlich routiniert im Bohren und Schrauben, auch schon Fels- oder gar Gebietsbetreuer. Dagegen waren unsere Erfahrungen null und unser Wissen nichtig. Aber wir haben ja auch einen Andi… und außerdem darf es auch Anfänger geben. Ein Stündchen Theorie brachte uns ins Thema, allerdings kam dabei auch schon so eine Ahnung vom Eisberg auf, der nur die Spitze rausgucken lässt.
Bohren wollten wir und bohren sollten wir auch. Im Plauenschen Grund – da, wo sich die Autobahnbrücke über die Sachsenstiege spannt, ist ein netter Steinbruch, der eigentlich wegen einem Felssturz gesperrt ist, aber durchaus noch ein paar Löcher verträgt. Florian erklärte, WO man bohrt, WIE man bohrt und WARUM man eine Bohrmaschine dazu verwenden sollte. Mit solcher Art von Informationen frisch motiviert, verpflanzten wir die ersten Verbundhaken in den Wandfuß. Der Verbundmörtel kam aus der Kartusche. Nicht schlecht. Die Nächsten folgten. Diesmal waren es Glasmörtelpatronen. Ah, ja. Noch was? Express- und Einschlaganker. Expressanker kennt man vom Baumarkt, das geht schnell. Einschlaganker haben so ihre Eier. Ein paar selbergebastelte Geräte versenkten wir bei der Gelegenheit auch gleich mit und sogar eine schwarze Inbusschraube wurde „verklebt“. Was waren wir fleißig, die Wand bestand nur noch aus unserem Eisen!
Jetzt kam der interessanteste Teil. Ich bin mal ehrlich, das war doch die einzige Intention, warum ich mitgefahren bin: Ich wollte doch eigentlich nur mal sehen, ob die Dinger auch wirklich halten, wenn ich fliege! Sicherheitsforscher Florian hatte ein Auszugsgerät dabei, das die Zugkräfte misst, die so ein Haken hält, bevor er bricht oder rausgezogen wird. Die Expressanker mit Hakenlaschen flogen uns teilweise schon bei 7kN um die Ohren, rissen die Muttern einfach ab. Die Haken mit dem Verbundmörtel aus der Kartusche bewegten sich ab 14kN. Die Glaskartuschenhaken verbogen sich, aber hielten teilweise bei 50kN immer noch! Teufelszeug – wer braucht denn sowas! Umrechnung gefällig? In Längsrichtung – also axial – hätte man fünf Tonnen Sand ranhängen können oder vielleicht sogar fünf Tonnen Stahl! Oder die ganze Klettergruppe nach Weihnachten!
Auch die selbergebastelten Geräte hielten sich ganz gut und selbst die Inbusschraube hatte ganz beachtliche innere Werte. Natürlich ist sowas nicht normkonform und auf Dauer nicht zu gebrauchen. Aber interessant, dass es wenigstens erst mal hält. Nachdem wir alle Schraubglieder beim Rausziehen der Haken verbogen und unbrauchbar gemacht hatten, fuhren wir wieder zurück in die SBB-Geschäftsstelle. Wido musste da wohl später noch mal mit der Flex raus.
Für uns jedenfalls ging es jetzt noch ein bisschen weiter mit der Auswertung unserer Versuche. Ein paar abschreckende Beispiele an Sachsenringen, denen man es von außen nicht ansieht, dass sie eigentlich nichts mehr halten, gab’s noch mit auf den Weg und natürlich die beruhigenden Geschichten von Felsausbrüchen. Und schon waren wir durch, hatten zwar jede Menge gelernt, aber noch mehr Fragen. Es ist halt wie immer: Du kriegst den Einstieg, danach musst du dich selber kümmern, was du draus machst. Also frisch ans Werk, jetzt wird gebohrt und saniert, was das Zeug hält! Als Erstes habe ich daheim an meiner Hauswand schon ein paar Standplätze eingerichtet, mehrere Routen geschraubt und einen kleineren Klettersteig in den Giebel gebohrt. Mein Nachbar hat sicher auch schon Interesse, der guckt schon dauernd, traut sich wahrscheinlich bloß nicht zu fragen – aber ich helfe ihm doch gern!
Die Zeit war nicht vertan, sondern unglaublich lehrreich, es dürften jetzt durchaus noch ein paar Anschlussseminare folgen. Und halt ein paar Stunden mit Andi draußen am Fels, denn eines hat es uns wieder bestätigt: Was der Andi schraubt, das hält! Und über alte Sachsenringe werden wir reden müssen …
Frank Weller