Rother Selection - Hochtouren Westalpen Bd. 2

Ein neues Rother Selection ist gerade druckfrisch erschienen: Hochtouren Westalpen Band 2. Es ist ein Buch, dessen Fertigstellung sich nicht nur um ein Jahr verzögert, sondern das der Verlag auch als besonderen Geschenktipp zu Weihnachten angepriesen hat. Solche Aussagen sind gewöhnlich mit Vorsicht zu genießen und wecken oftmals überzogene Erwartungen. Als es dann in den Briefkasten flatterte, war die Neugier aber doch groß.

Was gleich zuerst auffällt: die eher blaue Farbgebung des Umschlags, die sich auch im Inneren fortsetzt, und so das Buch bereits in der (äußerlichen) Farbgebung von den normalen Rother Wanderführern abhebt. Was noch auffällt: es ist ziemlich schwer! Für den stolzen Preis von 34,90 € wird hier auch ordentlich Masse geboten: ingesamt 110 Fels- und Eistouren zwischen Monviso und Mont Blanc haben die beiden Autoren Hartmut Eberlein und Ralf Gantzhorn in den letzten Jahren zusammengetragen. Letzterer ist ein professioneller Bergfotograf. Ein absoluter Gewinn für diesen Tourenführer, der so auch für den reinen Betrachter zum wahren Augenschmaus wird! Grandiose Panoramen, scharf gestochene Bilder, die Berge in ihrer einzigartigen Faszination und Erhabenheit! Es sei angefügt, dass die Rother Selection auch in ihrem Format deutlich größer sind als ihre kleinen Verlagsbrüder und –schwestern. So kommt schon fast Bildbandfeeling auf. Fotografien, auf denen die Routen am Berg eingezeichnet sind, sind stets sehr gut gewählt und lassen keine Wünsche offen.

In der vorderen Umschlagseite findet sich eine erste Tourenübersicht. Die Klappseiten sind bei meinem Exemplar leider schon etwas ausgeleiert, man hätte sich vielleicht für ein etwas anderes Umschlagsmaterial entscheiden können. Jedenfalls finden sich dort alle Touren sortiert nach der Schwierigkeit. Eine sehr gute Entscheidung; bei der man wissen muss, dass dieses Tourenbuch sich nicht an den Otto-Normalverbraucher richtet, sondern an „ambitionierte Einsteiger als auch […] engagierte, bereits eis- und felserprobte Hochalpinisten und Kletterer.“ Die Schwierigkeit reicht von F (leicht, für Geübte) bis ED- (extrem schwer) und so finden sich hier wirklich alle Touren, die das Bergsteigerherz begehrt, wie etwa der Frêneypfeiler am Mont Blanc. Das Inhaltsverzeichnis, welches die Touren sortiert nach Gebiet (Cottische Alpen, Dauphiné, Grajische Alpen und Mont-Blanc-Gruppe) auflistet, wurde mit einem Bergpanorama bei sternklarem Himmel hinterlegt. Sicherlich eine schöne Idee, die Umsetzung geht aber doch zu Kosten der Lesbarkeit.

Der allgemeine Teil ist extrem kurz gehalten und kommt auf gerade einmal sechs Seiten. Es gibt nur wenige, jeweils knappe Worte zu folgenden Themen: Einleitung, Gefahren, Höhenunterschiede und Gehzeiten, Anforderungen, Tourensaison, Ausrüstung, Hütten, Landkarten und Symbole / Routeneinträge. Und es wird doch alles gesagt! Da sich an die praktische Ausübung der vorgestellten Touren sowieso nur Könner wagen, oder zumindest Personen, die sich in die Obhut von Bergführern begeben, bedarf es keiner überflüssigen und ausschweifenden Ausführungen. Die Seiten zu lesen, ist dagegen auch für denjenigen ein Genuss, der hier nur einmal schauen will. Die Autoren haben eine wunderbare Schreibweise! Man merkt ihnen den Respekt für die Natur und die Berge an, spürt ihre Liebe zum Bergsport und immer wieder blitzt ein spezieller Humor zwischen den Zeilen hervor.

Nun zu den Tourenbeschreibungen, die sich in ihrer Art doch sehr von dem, was der erfahrene Rotherleser kennt, unterscheiden. Vor jedem Gebiet gibt es eine kurze Einführung, sozusagen als Warm-up. Dann geht es auch schon los. In der Titelzeile werden der jeweilige Gipfel und seine Höhe benannt, im Untertitel findet sich dann der Weg zum Ziel, etwas Südwand oder Nordostgrat. Ein kleines Symbol informiert über die Charakteristik der Tour: reine Gletscher-/Eistour, reine Felstour oder eine Kombination aus beiden, jeweils noch mit Schwerpunkt auf Eis oder Fels. Man sieht bereits daran: Die Bandbreite ist groß! Weitere Symbole lassen Rückschlüsse auf die Schwierigkeit und eventuell die Neigung zu. Im Infokasten gibt es alle wichtigen Daten auf einen Blick: Sie reichen von den Anforderungen, über die Infrastruktur (auch Stützpunkt) über Höhenmeter und Dauer im An- und Abstieg über benötigtes Kartenmaterial und Daten zur Erstbesteigung. Es gibt kein Höhen-Zeitdiagramm, auch weil bei solchen Touren, extrem viel von Wetter, Tageszeit und Profil der Bergsteiger abhängt und Zeitangaben hier wirklich nur als grobe Orientierung dienen können. Kleine Karten, auf denen die Tour eingezeichnet ist, gibt es nicht immer. Dagegen finden sich Bilder, auf denen die Route (auch Alternativen) eingezeichnet sind oder sehr gute Topos. Da sich bei vielen Gipfeln verschiedene Varianten der Besteigung als eigenständige Touren wiederfinden, wurden in den Karten stets alle möglichen Touren eingezeichnet. Ich fand dies mitunter etwas verwirrend, aber man findet sich doch recht schnell zurecht. Auch gibt es etwa vom Mont-Blanc-Gebiet eine ganze Doppelseite, auf der das Mont-Blanc-Massiv abgebildet ist und in dem wiederum die Routen mit Nummer eingezeichnet wurden.

Die Touren selbst werden durch einige Zeilen eingeleitet, mit deren Hilfe man sich schon einmal ein gutes Bild von dem machen kann, was da auf einen zukommt. Und die oft auch Anekdoten aus der Bergvergangenheit enthalten. Die Routenbeschreibungen selbst sind markig, auf den Punkt gebracht und ohne zusätzlichen Schnickschnack. Aller Humor wird beiseitegelassen, man ist fokussiert auf das Ziel: heil hoch und auch wieder runter zu kommen. Was mir leider bis zuletzt ein Rätsel geblieben ist, ist der Verweis auf bestimmte Punkte etwa P. 2475. In den im Buch enthaltenen Bildern, Skizzen und Topos konnte ich nie einen solchen Punkt entdecken, vielleicht sind sie in den empfohlenen Karten enthalten? Ein Wort darüber wäre im Allgemeinen Teil schön gewesen, so aber bleibt man als Hochalpinistenleihe etwas verdattert zurück und denkt an Geheimnisse, zu denen man noch nicht vorgedrungen ist. Ergänzend finden sich noch einige Worte zum Stützpunkt und zum An- und Abstieg.

Fazit: Dieses Buch ist ein wahrer Augenschmaus für alle bloßen Betrachter und Träumer und eine wahre Fundgrube für alle Hochalpinisten und Kletterer. Wer sich hoch hinaufwagen will, der kann mit diesem Führer – zumindest in der Vorbereitung – absolut nichts falsch machen. Klare Weihnachtsgeschenkempfehlung!

Christiane Fischer

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