Steinicht

Chronist

Michael Frotscher

Steinicht

Das Steinicht, im Herzen der Vogtländischen Schweiz, kann auf eine fast 170- jährige klettersportliche Tradition verweisen.

Doch es begann schon eher, denn wie zu besten "Bild"-Zeitungszeiten begann alles mit einem Unfall, Kletterunfall?

Mitte Oktober 1821 stürzte Andreas Christian Kürschner "... von der höchsten Spitze eines Felsens wohl 100 Ellen hoch in die Tiefe...". Ob er den Sturz überlebte weiß heute keiner mehr, aber ich denke, sein Geist geht heut noch manchmal in den Felswänden des Steinicht um.

Im September 1834 und am 30. August 1835 führt der sächsische Turnvater Leonhart Heubner sogenannte Turnfahrten ins Steinicht durch. Wir wissen zwar heute nicht mehr auf welchen Wegen Heubner und seine Kameraden die Felsen bestiegen haben, doch waren sie wohl die Ersten, welche die Felsen aus sportlichen Motiven heraus erklettert haben.

Interessant ist, dass 1852 die heutige "Elsterwand" als "Kletterstein" urkundlich erwähnt wurde.

1872 bis 1875 fand der Bau der Elstertalbahn statt, mit der Folge, dass man zwar schneller im Steinicht war, allerdings wurden auch etliche Felsbildungen auf beiden Uferseiten zerstört.

Ab 1888 waren es vor allen Dingen die Plauener Richard Kunstmann und Prof. Johannes Münckner, die das Steinicht in erster Linie zur Vorbereitung für ihre Hochgebirgstouren nutzten. Von Prof. Johannes Münckner stammt der Kletterweg namens "Müncknerkamin" am "Dornbusch", den er 1893 beging. Er zählt auch heute noch zu einem der schönsten Kletterwege des Steinicht. Prof. Johannes Münckner machte sich durch zahlreiche Ersttouren in den Zillertaler Alpen einen Namen.

Eine Erschließungswelle begann 1918 und dauerte bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges an. Bergsteiger aus Plauen, Reichenbach und Greiz, allen voran Rudolf Johannes Hartenstein, führte zahlreiche Erstbegehungen durch. Auch war es nicht mehr reines Hochgebirgstraining, sondern wenn man den Bericht über die Besteigung des "Pfeilerweg", heute "Frühlingskante" von Rudolf Johannes Hartenstein ließt, kann man nachfühlen, wie intensiv diese Bergfahrten erlebt wurden.

Herausragende Erstbegehungen von Rudolf Johannes Hartenstein waren 1918 am "Nelkenstein" die "Alte Nelkensteinwand" VI; "Frühlingskante" IV; 1921 am "Dornbusch" der "Gratweg" IV; 1919 am "Uhustein" der "Gratweg" III; 1921 auch am "Uhustein" der "Ostweg" IV und 1930 am "Dachstein" der "Grüne Weg" III. 

Dem Greizer Hans Fugmann gelang 1937 mit der Durchsteigung des "Nelkensteinriss" am "Nelkenstein" die erste VIIc im Steinicht. Am "Fehenstein" durchstieg am 2. Osterfeiertag 1938 Ludwig Beck die "Beckkante" VIIb und Werner Hentschel am selben Tag die "Nordostverschneidung" VIIb.

1938 erhielt auch die "Plattenwand" durch den Reichenbacher Ottokar Bauer mit dem "Alten Weg" VI ihre erste Begehung.

Selbst zur damaligen Zeit waren Klettergebiete schon bedroht. Zwar war es nicht der Naturschutz, sondern der Steinbruch fraß sich immer mehr in Richtung "Nelkenstein" vor. Wer anders als Rudolf Johannes Hartenstein kämpfte bereits 1928 bis 1943 mit seiner Aktion "Rettet das Steinicht" für dessen Erhalt.

Es sei ihm Dank, er schaffte es, und der Steinbruch durfte nicht weiter in Richtung "Nelkenstein" abbauen. Auch wollte er Teile des Steinicht kaufen, was ihm allerdings nicht gelang. Welche Duplizität der Ereignisse, das Gleiche versuchte der DAV Plauen 2002, mit gleichem Ergebnis. 

Nun war es lange Zeit ruhig im Steinicht. 1945 wurde der Alpenverein verboten, was in der sowjetischen Besatzungszone auch rigoros durchgesetzt wurde. Um so erfreulicher war, dass im April 1954 wieder die ersten Kletterer im Steinicht auftauchten und natürlich allen voran Rudolf Johannes Hartenstein!

Ab 1958 folgte dann die nächste Erschließungswelle durch Geraer und Erlbacher Bergsteiger. Siegfried Weippert gelang 1958 an der "Plattenwand" der "Geraer Weg" VI; 1959 am "Uhustein" der "Gemeinschaftsweg" VIIa; 1960 am "Dornbusch" der "Große Überhang" VI / A3 und 1963 am "Vogtlandriff" der "Stuttgarter Weg" VI / A3.

Der Erlbacher Hans-Karl Schmidt kletterte 1958 am "Uhustein" die "Schartenvariante" VIIb und an der "Plattenwand" den "Mittelweg" VI.

1965 kletterte Reinhard Sehrer den "Herbstweg" VI / A3 am "Vogtlandriff", der erst seit 2010 durch Danny Fischer seine erste freie Begehung bekam.

Im Jahre 1959 erschien auch der erste Kletterführer in dem das Steinicht enthalten war. Merkwürdigerweise wurde es dann wieder etwas ruhiger im Steinicht, zwar wurde noch fleißig geklettert, aber neue Wege wurden nicht erschlossen.

Erst ab 1977 ging es wieder so richtig zur Sache. Es wurden jetzt keine Felshaken mehr geschlagen, sondern die Wege mit Ringhaken, welche mit selbstgefertigtem Kronenbohrer gebohrt und verbleit wurden, abgesichert. Auch hier machte Not erfinderisch, so schrieb Matthias Andrich an Oskar Bühler, ja ihr lest richtig, dem Oskar Bühler, einen Brief und tatsächlich  erhielt er kurz darauf 10 Original "Bühlerhaken". Diese sind heute noch in der "Nymphenwand" zu bestaunen.

Die meisten Erstbegehungen zu jener Zeit (einige nachfolgend aufgelistet) sind von:

Michael Rottmann

  • 1988 Schattenwand, Abschied, VIIIb
  • 1988 Tunnelwand, Rosenhochzeit, VIIIc
  • 1989 Elsterberger Wände, Begradigung, VIIIb 

Andreas Schuster

  • 1983 Dachstein, Dach, VIIc
  • 1985 Nelkenstein, Kraftprobe, VIIIa
  • 1988 Nelkenstein, Irgendwie und sowieso, VIIIb 
  • 1989 Nymphenwand, Immer an der Wand lang, VIIIc

Alfons Klaus

  • 1988 Nelkenstein, Von Ring zu Ring, VIIIa 
  • 1990 Nymphenwand, Zwergnase, VIIIb

Hans-Hagen Hempel

  • 1989 Dachstein, Wildwechsel, VIIIb 
  • 1989 Hohe Wand, Weg zum Licht, VIIIa

Matthias Andrich

  • 1988 Nymphenwand, Wiedergefundene Zeit, VIIIc

Horst Loos

  • 1978 Plattenwand, Bohrlochroute, VIIa

Peter Sippel

  • 1978 Dornbusch, Triumpfkante, VI.

Mit der Wende 1989 kam nicht nur die Reisefreiheit, sondern auch die Akku-Bohrmaschine, Edelstahlhaken und Klebepatrone. Was für ein Fortschritt! Mit Unterstützung des DAV konnten nun die Wege saniert und natürlich auch neue Wege erschlossen werden. Matthias Andrich und Andreas Schuster machten weiter, wo sie einst aufgehört hatten und neue Kletterer kamen hinzu. So bescherte der Weltenbummler Falk Heinicke dem Steinicht einige neue schwere Linien. Hier einige Highlights der vergangenen Jahre:

Falk Heinicke

  • 1993 Elsterberger Wände, Transeuropaexpress, Xa 
  • 1993 Elsterberger Wände, Irrrational, IXc 
  • 1993 Dachstein, Schleiereule, Xa

Matthias Andrich

  • 1995 Schattenwand, Neues Leben, IXb 
  • 1995 Grottenwand, Zange, IXb

Andreas Schuster

  • 2002 Kleiner Kletterstein, Welt der kleinen Griffe, VIIIc
  • 2003 Tunnelwand, Wilde Rose, IXa 
  • 2003 Kleine Zacke, Abzocker, VIIIb

Matthias Schuster

  • 2001 Kleppergrundwächter, Im elektromagnetischen Feld, VIIIc 
  • 2002 Kleiner Kletterstein, Fallbeschleunigung, IXa 
  • 2003 Fehenstein, Tauziehen, Xa

Rene Majewski

  • 1995 Nelkenstein, Amtsmann´s Freud, VIIIb 
  • 2000 Vogtlandriff, Strafarbeit, VIIIb.

Auch wenn die Masse der Wege erschlossen scheint, denke ich, wird es auch weiterhin Neulandsucher geben und die Geschichte des Steinicht kann weiter geschrieben werden.